Vorstadtturm

Stadt Kirchheimbolanden

Die Stadtrechtsurkunde, die Graf Heinrich II. von Sponheim (reg. 1350-1393) für sein Dorf Kirchheim 1368 von Kaiser Karl IV. erhielt, war gleich mehrfach bedeutsam: sie bot mit dem Befestigungsrecht Schutz und Schirm für die Bevölkerung und mit dem Marktrecht die Möglichkeit wirtschaftlicher Entwicklung.

Was allerdings fehlte, das war ein größeres Umland, denn die Grafschaft Heinrichs II. umfasste um Kirchheimbolanden herum lediglich fünf Dörfer. Entsprechend bedurfte der innerstädtische Marktplatz [Standort 39] auch nur einer kleinen Fläche.

Das mittelalterliche Kirchheimbolanden war damit eine „Ackerbürgerstadt“. Befestigung und Marktverkehr hoben die Stadt zwar von ihrem Umland ab, aber auch ein großer Teil der hier ansässigen Bevölkerung deckte den Nahrungsbedarf durch eigenen Anbau.

Im Gegensatz zum 7 Kilometer entfernten Dannenfels, wo Heinrichs Vater Philipp 1331 einen erfolglosen städtischen Entwicklungsversuch unternommen hatte, wurde Kirchheimbolanden aber zu einem sponheimischen „Erfolgsmodell“.

Unteres Stadttor

Das Untere Tor (Vorstadtturm) bildete den wichtigsten und deshalb auch am besten geschützten Zugang zur Stadt. Wenn in unruhigen Zeiten das Obere Tor [Standort 19] dauernd geschlossen blieb, wickelte sich der Verkehr nach außen und in die Stadt ausschließlich durch das Untere Tor ab.

Der Torturm hat einen quadratischen Grundriss von 6 x 6 m und besaß eine (jetzt etwas erweiterte) Durchfahrt von 3 m Breite. Auf die Tordurchfahrt waren vier Stockwerke aufgesetzt, wobei das oberste einen besonders guten Ausblick auf die Umgebung der Stadt bot. Es ist auch anzunehmen, dass in Höhe dieses Geschosses außen ein umlaufender Rundbogenfries vorhanden war, wie er an anderen Türmen und Mauerteilen noch erhalten ist.

Zugänglich war die Stadt hier nur über eine Zugbrücke. Davor befand sich in etwa 30 m Abstand ein kleiner Rundturm für die Wachhabenden am dort befindlichen Schlagbaum.

Der südliche Stadtzugang war also eine im mittelalterlichen Sinn höchst wehrhafte Anlage und zugleich ein repräsentativer Ausdruck städtischer Zentralität.

In der nassau-weilburgischen Zeit im 18. Jahrhundert hatte das Tor dann zwar nur noch eine optische Funktion, wurde aber nun durch seine Barockisierung noch stärker im Stadtbild hervorgehoben.

„Bolander Pforten“

Die mittelalterliche Bezeichnung des „Vorstadtturmes“ als „Bolander Pforten“ (Bolander Pforte) verweist auf die 3 km südlich gelegene Burg Neubolanden und die dort ansässigen Herren von Bolanden. Deren Lehensverzeichnis (um 1190) nennt auch beneficia (Güter), partem frumenti et tocius iustricie (Fruchtgefälle und die Gerichtsbarkeit) in Kirchheim.

Das dann Graf Heinrich II. von Sponheim (reg. 1350-1393) die bolandische Rechtsgrundlage weiter ausbauen konnte, ermöglichte ihm eine landesherrschaftliche Rolle.

Die „Bolander Pforten“ war also mehr als lediglich eine Richtungsangabe, ist die Bolander Burg doch auch eine imposante Anlage gewesen, eine der großen zumal, die in der staufischen Zeit in der Pfalz errichtet wurden. Ein Modell wird im „Museum im Stadtpalais“ [Standort 28] gezeigt.

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