Protestantische Paulskirche

Protestantische Paulskirche

30.1 Julius Ludwig Rothweil

Als Architekt für die Paulskirche berief Fürst Carl August (reg. 1719-53) den Wegbereiter des „l`esprit baroque“ im mittelrheinisch-hessischen Raum Julius Ludwig Rothweil.

Rothweil (1676-1750) stand mit seinen Schloss- und Kirchenbauten in Hanau, Neuwied, Hachenburg, Waldeck, Weilburg und Kirchheimbolanden im Dienst protestantischer Fürsten. Er gehört damit zu einem „Kunstbereich, der sich von Berlin, Hannover-Wolfenbüttel über Kassel, Arolsen, Westerwald und Taunus bis nach Saarrücken erstreckt und dessen Künstlerkreis unter anderem L. R. de la Fosse (Hannover, Kassel, Darmstadt), die Familie du Ry (Kassel) und Fr. J. Stengel (Dornburg/Elbe, Berlin, Nassau) umfasst.“ 

In Kirchheimbolanden hat Rothweil mit der Paulskirche 1738-44 eine Hof- und Stadtkirche in rokoko-klassizistischen Formen baukonzeptionell analog seiner hochbarocken Weilburger Schlosskirche von 1707-13 geschaffen. Beide Kirchen sind damit architektonische „Schwesterkirchen“.

Architektur des protestantischen Gottesdienstgedankens

Der Kanzelorgelaltar – das Übereinander von Altar, Kanzel und Orgel – ist nicht nur aus dem Gegenüber zur Fürstenloge zu erklären, sondern ebenso aus dem protestantischen Gottesdienstgedanken.

Denn, so Martin Luther, Paulus berühmt sich: Er sei als Prediger gesandt. An die Stelle der vom Priester zelebrierten Messe trat nun die Lesung und Auslegung der Bibel. Dazu setzte Luther ein weiteres: den von der Orgel begleiteten Gemeindegesang, damit das Wort Gottes auch durch Gesang unter den Leuten bleibt.

Die Idee des Kanzelorgelaltars gab dem Ausdruck. Die Architektur der Paulskirche ist also nicht nur als Residenzkirche zu verstehen. 

Sinnbilder des Christlichen

Auch für die bildliche Ausstattung einer protestantischen Kirche war Martin Luther sinnbildend: Bilder sollen eine dreifache Wirkung entfalten: zum Zeugnis, zum Gedächtnis, zum Zeichen.

In der Paulskirche trifft das auf vier „Bild-Orte“ zu:

den fünfteiligen Zyklus der Kanzelrückwand-Gemälde, die je nach Phase des   Kirchenjahres thematisch gewechselt werden: Weihnachten, Verklärung, Kreuzigung, Ostern, Pfingsten;

die Figuren auf dem Kanzeldeckel: links Mose, rechts Johannes der Täufer, dazwischen fünf Putten, die die Tugenden Frieden, Glaube, Liebe, Hoffnung und Freude über die durch Glaube, Liebe und Hoffnung verbriefte Lebenserfüllung darstellen;

das Deckengemälde, in dessen Zentrum eine Taube ihre Flügel ausbreitet und die    Symboliken der vier Deckensegmente zusammenführt: Tod und Leben (erhöhte Schlange sowie Kreuz und Lamm), Taufe und Abendmahl (Gießgefäß und Taube sowie Hostie und Kelch);

der Deckenstuck in der Fürstenloge als Sinnbild des christlichen Herrschaftsgedankens: mittig Mose, der sein Volk führt, außen Schlüssel, Lorbeerkranz, Palme und Krone.

Die bildliche Ausgestaltung der Paulskirche (nachfolgend von links nach rechts: Weihnachten, Verklärung, Kreuzigung, Ostern, Pfingsten) entfaltet damit in barocker Umsetzung das protestantische Denken des 18. Jahrhunderts.

Weihnachten

Verklärung

Ostern

Kreuzigung

Pfingsten

Stummorgel

Eine besondere Bedeutung hat die Paulskirche auch musikalisch, denn ihre Orgel ist eine der bedeutendsten des 18. Jahrhunderts in Deutschland.

Erbaut 1745 von Johann Michael Stumm, hat sie drei Manuale und 38 Register. (Das schließt ein Glockenspiel ein.)

Insgesamt werden mit dem Namen Stumm in Deutschland rund 400 Instrumente verbunden. Denn auch in den fünf folgenden Generationen wurde der Orgelbau in der Familie weiter betrieben. Ihre Werke sind vor allem in der Mosel-Hunsrück-Nahe-Region, am Mittelrhein sowie in Rheinhessen und der Pfalz zu finden.  

Eine besonders herausragende Rolle spielen dabei die Orgeln von Johann Michael Stumm (1683-1747). Er wird von Kennern „in einem Atemzug mit Arp Schnitger und Gottfried Silbermann“ genannt.

Seine 1936/66 vom ursprünglichen Umfang von 1.850 auf 2.830 Pfeifen erweiterte Paulskirchenorgel ist die historisch bedeutsamste in der Pfalz.

Der volle Orgelklang ist in der Zeit von Pfingsten bis zum Erntedankfest in den Sonntags-Gottesdiensten, bei (angemeldeten) Führungen und in den Konzerten des „Kirchheimbolander Orgelsommers“ zu erleben. 

(Näheres im Infokasten auf dem Paulskirchen-Vorplatz.)

Mozartorgel

Als Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) im Januar 1778 eine Woche lang den Fürstenhof in Kirchheimbolanden einen Besuch abstattete, hat er auch einmal auf Begehren auf der Orgel gespielt. Gemeint ist damit die beym Orgelmacher Stumm verfertigte Orgel in der Paulskirche.

Dass Mozart nicht mehr über dieses Orgelspiel berichtet hat, ist sicherlich vor allem der Jahreszeit zuzuschreiben. Denn die Kirche war im 18. Jahrhundert nur in der Fürstenloge beheizbar.

Beeindruckt war Mozart von der durch Johann Michael Stumm geschaffene Orgel aber ganz sicher. Ihre Klangfülle ist durch ihre Organisten auch auf Tonträgern erschlossen: durch Johannes Pröger / Wolfgang Bauer (o.J. ca. 1970), Wolfgang Bauer (2008) und Martin Reitzig (2002).

Begegnungen mit Mozart sind in der Paulskirche aber nicht nur orgelmusikalisch möglich, sondern ebenso in einem Seitenraum der Fürstenloge mit dem Orgelspieltisch von 1745 und im linken Eckbereich des Kirchenraumes auf der Kanzelorgelaltar-Seite an Hand einer 2020 von Gregor Dittmer geschaffenen Bronzebüste.

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