Residenzschloss

Residenzschloss

Residenzschloss Kirchheimbolanden

Geplant war in Kirchheimbolanden eine dreiflüglige Schlossanlage mit zur Stadt hin offenem Ehrenhof. Realisiert wurde 1706/09 aber lediglich der 55 lange östliche (rechte) Seitenflügel und der östliche (rechte) Teil des Mittelflügels.

Dass dieser unter Graf Johann Ernst von Nassau-Weilburg (reg. 1675-1719) erfolgte Bau dann aber nicht weitergeführt wurde, mag vor allem durch die überaus kostenträchtige barocke Erweiterung der Weilburger Schlossanlage bedingt gewesen sein.

Der Kirchheimbolander Schlossbau blieb deshalb zunächst ein Torso. Erst Graf/Fürst Carl August (reg. 1719-53) ließ das von seinem Vater Begonnene dann zur Dreiflügelanlage fertigstellen. 

Schon 1792 ging das Schloss dann in Flammen auf. Es war für die französischen Revolutionstruppen Sinnbild der alten monarchischen Ordnung. Die Stele des Mozartbrunnens in der Vorstadt erinnert daran [Standort 43].

Original ist von der barocken Schlossanlage aber nur das Erdgeschoss des Ostflügels. Es war deshalb eine glückliche Fügung, dass 1994/95 Überkommenes (der 1807, 1861/62 und 1910 mehrfach umgebaute Ostflügel) mit Neuem (Mittel- und Westflügel) verbunden werden konnte und so eine Vorstellung vom Umfang der barocken Schlossanlage möglich wurde.

Französische Architekturmode

Eine im 19. Jahrhundert vor 1861 entstandene Lithografie des Kirchheimbolander Schlossgartenflügels zeigt die architektonische Formgliederung des nassau-weilburgischen Hofbaumeisters Julius Ludwig Rothweil. Dominant treten dabei die hohen Fenster des Erdgeschosses hervor, das auf einem Kellergeschoss aufsitzt. Bekrönt wird der Bau von einem zweigeschossigen Mansardendach.

Nach einem Brand von 1861 ist dieses architektonische Gefüge allerdings überprägt. Das erste Mansardendachgeschoss wird nun in ein reguläres Obergeschoss umgewandelt und darüber im Stil des 19. Jahrhunderts ein Walmdach gesetzt. 

Damit vermittelt der heutige Schlossbau in seiner Gartenfront nur noch ein teilweises Bild der ursprünglichen Planung und Bauausführung. In der Lithografie werden aber die entscheidenden kunstgeschichtlichen Bezüge Rothweils zum Versailler Schlossbaustil des späten 17. Jahrhunderts offensichtlich, deren richtungsweisende Ausprägung durch Jules Hardouin-Mansart (1646-1708) erfolgte. Als Vorbild für Kirchheimbolanden ist dabei besonders an Glagny zu denken, das im Versailler Gesamtareal für die Marquise de Montespan errichtete Schloss.

Da der „französische Geschmack“ für Rothweil von Anfang an stilbildend war, realisierte er in Kirchheimbolanden zugleich ein Frühwerk dieser Mode auf deutschem Boden. Dabei griff er Bauideen auf, die er 1700/02 erstmals in Schloss Philippsruhe in (Hanau-) Kesselstadt am Main verwirklicht hatte. Hier sind in den Flügelbauten Elemente aus Glagny (Einstöckigkeit, Mansardendach) für das Kirchheimbolander Schlossprojekt vorgebildet, das damit nicht nur eine Station in der architektonischen Entwicklung Rothweils, sondern auch im Transfer der „französischen Mode“ nach Deutschland eine Zwischenetappe repräsentiert.

32.3 Die Kirchheimbolander Fürsten von Nassau-Weilburg

Für drei nassau-weilburgische Fürsten war Kirchheimbolanden im 18. Jahrhundert Residenzstadt.

Die beiden prägendesten Fürstenpaare waren Carl August und Auguste Friederike Wilhelmine sowie Carl Christian und Caroline. Sie sind auf der Stele des Mozartbrunnens in der Vorstadt dargestellt [Standort 43].


CARL AUGUST 

* 17. September 1685 in Weilburg; † 9. November 1753 in Weilburg;. von 1699 bis 1701 Aufenthalte in Versailles; Regierungsantritt 1719 als Graf von Nassau-Weilburg; 1737 in den Reichsfürstenstand erhoben.

Unter seiner Regierung entstehen in Kirchheimbolanden vor allem die Fertigstellung des Schlosses, die Paulskirche, das Ballhaus und die Amtsstraße.

Ganz im Geist seiner Zeit treibt er einen landesstaatlichen Ausbau voran. Zum Ausdruck kommt das z.B. 1734 in seiner „Armenordnung“ oder 1737 in einer „Schulordnung“. Carl August lässt sich damit durch das Staatsverständinis der Frühaufklärung leiten. So setzt er in der „Schulordnung“ eine allgemeine Schulpflicht von Michaelis (29. September) bis Mai fest. Unentschuldigtes Fehlen wird mit einer Geldbuße bestraft.

Seine Kirchenpolitik ist von Toleranz geprägt, denn obwohl er selbst Lutheraner ist, soll die reformierte Gemeinde aller, der Lutherischen Gemeinde bishero allein zuständigen Vorrechten theilhaftig geachtet sein und darin kein Unterschied hinkünftig mehr gemacht werden (Dekret von 13. Januar 1738).

CARL CHRISTIAN 

* 16. Januar 1735 in Weilburg; Regierungsantritt 1753; † 28. November 1788 auf dem Münsterhof in Dreisen bei Kirchheimbolanden.

Unter seiner Regierung entstehen in Kirchheimbolanden insbesondere die Neue Allee und die Orangerie.

Seine Sozialpolitik ist für das 18. Jahrhundert vorbildlich. So sorgt er etwa für die Hinterbliebenen seiner Beamten, indem er drei Witwenkassen (für die weltlichen Beamten, die Geistlichen und die Lehrer) begründet oder zur Beseitigung des Bettelns einen Armenfonds einrichtet.

Gegenüber Neuerungen auf kirchlichem oder schulischem Gebiet verhalten sich die Untertanen allerdings abweisend So kann Carl Christian die Einführung eines Grundschul-Lesebuches, das für Lutheraner wie Reformierte gleichermaßen verbindlich sein soll, nur mit kurpfälzischer Waffengewalt („ABC-Buch“-Streit von 1777) durchsetzen [Standort 43].

In seiner Regierungszeit wird das Kirchheimbolander Schloss zum „Musenhof“.  Ihn gestaltet hauptsächlich Carl Christians Ehefrau Caroline (1742-87). Auf sie und ihren höfischen „Musique-Flair“ ist deshalb auch der Besuch Wolfgang Amadeus Mozarts (1778) [Standort 32.6] zurückzuführen.

FRIEDRICH WILHELM 

* 25. Oktober 1768 in Den Haag; Regierungsantritt 1788; † 9. Januar 1816 in Weilburg.

Seine Regierungszeit hat in Kirchheimbolanden keine baulichen Spuren hinterlassen.

Denn im September 1792 sind französische Revolutionstruppen im Anmarsch auf die Stadt. Die fürstliche Familie – und mit ihr der gesamte Hofstaat – flieht ins rechtsrheinisch verbliebene nassauische Territorium, während sich in Kirchheimbolanden ein tiefgreifender politischer Wechsel vollzieht, der seinen symbolischen Ausdruck in der Brandschatzung des Schlosses findet.

Für die Residenz Kirchheimbolanden bedeutet dies ein abruptes Ende.

Rechtsrheinisch wird Friedrich Wilhelm – seit 1788 mit Luise Isabelle zu Sayn-Hachenburg verheiratet – für den Kirchheimbolander Verlust im Reichsdeputationshauptschluss 1803 jedoch mit ehemals kurtrierischen Gebieten an Rhein und Lahn sowie im Westerwald großzügig entschädigt.

Friedrich Wilhelms und Luise Isabelles am 14. Juni 1792 in Kirchheimbolanden geborener Sohn Wilhelm – bei der Flucht vor den französischen Revolutionstruppen gerade drei Monate alt – erlangt 1816 die nassauische Herzogswürde.

Und nicht zu vergessen: 1890 hat Friedrich Wilhelms und Luise Isabelles Enkel Adolph die heute noch herrschende großherzogliche Dynastie von Luxemburg begründet.

32.4 Kirchheimbolander Hofstaat und Hofleben

Im 18. Jahrhundert war ein Fürstenhof das politische und kulturelle Zentrum des Staates. Die nassau-weilburgische Residenz Kirchheimbolanden hatte damit auch eine doppelte Funktion, die es durch den Hofstaat und das Hofleben auszufüllen galt.

Der Hofstaat umfasste in den 1750-80er Jahren u.a. den jeweils amtierenden Präsidenten, Hofmarschall, Obrist-Stallmeister, Obrist-Leutnant, Hauptmann und mehrere Leutnants. Sie alle gehörten als Freiherren dem Adelsstand an. Ihren Status und ihren Rang erhielten sie unmittelbar vom Fürsten. Daraus ergab sich auch ihr Einbezug in das Hofleben, dessen „Bühnen“ das Schloss, die Kirche, die Orangerie, die Gärten, das Ballhaus und das Komödienhaus waren.

Eine besondere Rolle spielten dabei auch die Fürstin und ihre Kinder. Ein 1778 datiertes Gemälde zeigt die Fürstin Caroline im Kreis ihrer Söhne und Töchter [Standort 28]. Es gibt im Museum im Stadtpalais Kirchheimbolanden als Schauwand dem „Nassau-Weilburg-Zimmer“ seinen barocken Flair.

Die hier als Zweite von links abgebildete Fürstin Caroline spielte im Hofleben besonders durch ihre Musikbegeisterung eine zentrale Rolle.

Der Musikschriftsteller Christian Friedrich Daniel Schubert (1730-94) hat sie als Kennerin und Beschützerin der Musik gerühmt. Sie spielte schwere Konzerte von Schubert, Johann Christian Bach, Vogler und Becke mit ungemeiner Leichtigkeit. Dass Allegro und Presto gelingt ihr immer. 

Entsprechend bestand am Kirchheimbolander Hof auch ein volltönendes Orchester. Einen reizvollen Eindruck dieser Hofmusik geben CD-Einspielungen des Kurpfälzischen Kammerorchesters Mannheim unter der Leitung von Hans Oskar Koch:

„ABC-Buch“-Streit

Lesebücher für den Unterricht in der Grundschule enthielten im 18. Jahrhundert vor allem biblische Texte und Auszüge aus dem Katechismus. Die Auswahl erfolgte streng nach konfessionellen Gesichtspunkten. Entsprechend unterschied sich auch ein lutherisches von einem reformierten „ABC-Buch“.

Ganz im Geist der Aufklärung wollte Fürst Carl Christian deshalb ein für beide Konfessionen gemeinsames Lesebuch einführen. Er beauftragte deshalb die Kirchheimbolander Geistlichen, die lutherichen Pfarrer Hahn und Liebrich sowie den reformierten Prediger Des Côtes, ein kirchlich neutrales „ABC-Buchstabir- und Lesebuch“ zu entwickeln.

Das Ergebnis ist in die allgemeine Schulgeschichte eingegangen. Hahn und Des Côtes sind deshalb auch auf der Stele des Mozartbrunnens in der Vorstadt [Standort 43] dargestellt.

Insbesondere in vielen lutherischen Gemeinden wurde das neue Buch aber abgelehnt. Es kam zu offenem Widerstand, am 19. Februar 1777 sogar zu einem Tumult vor dem Residenzschloss in Kirchheimbolanden, so dass der Fürst kurpfälzische Militärhilfe anforderte.

Es dauerte aber auch unter staatlichem Druck noch vier Jahre, bis das Buch in allen lutherischen und reformierten Schulen des Amtes Kirchheimbolanden genutzt werden konnte. Schulischer Staats- und Elternwille konnten also auch schon im 18. Jahrhundert gegeneinander stehen.

„Europäische Mozart-Wege“

„Die Europäischen Mozart-Wege“ verbinden als „Kulturroute des Europarates“ Mozartstätten in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Schweiz, Slowakei und Tschechien.

Eine dieser Mozartstätten ist Kirchheimbolanden. Hier hat Wolfgang Amadeus Mozart im Januar 1778 eine Woche am nassau-weilburgischen Hof zugebracht. In einem Brief an den Vater schrieb er aus Kirchheim-Poland: Ich habe im allen zwölfmal gespielt und einmal auf Begehren in der lutherischen Kirche auf der Orgel und habe der Fürstin mit vier Sinfonien aufgewartet und nicht mehr als sieben Louisdor in Silbergeld erhalten. Hat er also die Möglichkeiten des Fürstenhofes in Kirchheimbolanden überschätzt?

Doch der Besuch ist nachhaltig: Denn die „Mozartorgel“ in der Paulskirche ist seit den 1960er Jahren für das mozartsche Orgelwerk eine wichtige Traditionsstätte der Einspielungen von Tonträgern.

Nicht weniger Bedeutung kommt der Hofmusik in der nassau-weilburgischen Residenz zu. Auch von ihr liegen neuere Einspielungen vor.

Skip to content