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Touristeninformation: +49 (0) 63 52 – 75 04 777

Schillerstraße

Das Befestigungsrecht von 1368

Von der Schillerstraße aus hat man einen beeindruckenden Blick auf die mittelalterliche Stadtbefestigung. Hier wird ersichtlich, wie umfangreich Graf Heinrich II. von Sponheim (reg. 1350-1393) die Stadtrechtsurkunde Kaiser Karls IV. von 1368 umgesetzt hat. Denn diese legte u. a. fest, daz er [Heinrich] sin Dorff Kircheim […] mit Buwen [Gebäuden], Muren [Mauern], Graben, Turnen [Türmen], Pforten, Erckern und anders wie er will vesten [befestigen] muge und eine Stat daraus machen ewiglich.

Dieses Privileg führte nicht nur zur Errichtung einer 850 m langen Stadtmauer [Standort 07] sowie zum Bau von Befestigungstürmen, Toren [Standorte 01, 05, 08, 13, 19] und eines Zwingerbereiches, sondern auch eines zusätzlichen Wartturmes auf dem Schillerhain [Standort 15].

Erhalten beziehungsweise im Rahmen der Stadtsanierung seit den 1960er Jahren wiederhergestellt sind rund 210 m der Stadtmauer im Bereich des Roten und Grauen Turmes [Standorte 05, 07, 08].

Dieser Stadtmauerabschnitt vermittelt ein anschauliches Bild der umfangreichen Befestigungsmaßnahme. Für Kirchheimbolanden bot das Befestigungsprojekt in der spätmittelalterichen Verstädtungsphase eine regionale Entwicklungschance.

Zwinger und Stadtgraben

Ein Zwinger, der Raum zwischen Stadtmauer und Stadtgraben, war im Mittelalter Teil der Verteidigungsstrategie einer Stadt. Er hatte den Zweck, hier mögliche Angreifer „einzuzwängen“.

Der dem Zwinger dann vorgelagerte Stadtgraben war auf Grund der Reliefverhältnisse allerdings nur streckenweise mit Wasser gefüllt, auf jedem Fall aber Sumpfgelände.

Ein Stück der Zwingermauer ist vor dem Durchgang (von der Schillerstraße her) zum Platz am Grauen Turm [Standort 08] erhalten. Da die Zwinger- und Stadtgrabensohlen hier allerdings stark verfüllt sind, verfälscht sich das Bild. Denn über der Sohle des Zwingers ergibt sich eine Höhe der Vormauer von etwa 2,50 m und über der Sohle des Stadtgrabens von ca. 5 m.

Stadtmauer, Zwinger und Stadtgraben haben damit dem mittelalterlichen Kirchheimbolanden „Schutz und Schirm“ geboten.

In diesem Sinn ist auch der Wartturm auf dem Schillerhain zu sehen.

Wartturm

Bevor sich im späten 19. Jahrhundert der Name Schillerhain durchsetzte, wurde die Anhöhe westlich von Kirchheimbolanden Wartberg genannt. Denn hier bot sich ein überaus günstiger Standort für das, was im mittelalterlichen Sprachgebrauch mit „warte = spähendes Ausschauen, Wache, Wachposten“ bezeichnet wurde. Hatte man von der Anhöhe aus doch ein weites Blickfeld über die Rheinebene bis zum Odenwald.

Der im späten Mittelalter errichtete 11,25 m hohe Wartturm ist deshalb im Zusammenhang mit der Kirchheimbolander Stadtbefestigung [Standort 07] zu sehen.

Diese Phase endete aber bereits nach nur wenigen Jahren 1815 und nicht nur die Weiterentwicklung der Nachrichtentechnik, sondern vor allem der Ausbau des Schillerhains zu einem Kaiserzeitlichen Bürgerpark führte zu einer weiteren Umwidmung, die der Turm auch heute noch hat: als Ort des geographischen Nah- und Fernsichterlebens.

Der Wartturm wurde damit um 1900 auch zu einem Foto- und Aussichtskartenmotiv.

Eine neue Bedeutung erhielt der Rundturm dann in der napoleonischen Zeit durch die Installation eines Zeigertelegraphen. Der Wartturm war damit eine Station in der Nachrichtenübermittlung zwischen Paris und der Departement-Hauptstadt Mainz.

1862 erhielt er schließlich durch den Kirchheimbolander Schillerverein seine Funktion, die er auch heute noch hat: als Ort des geographischen Nah- und Fernsichterlebens.

Dazu hat auch schon eine Aussichtskarte von 1897 eingeladen.

Erreichbar ist der Wartturm von der Schillerstraße aus über die Donnersbergstraße oder die Dr.-Carl-Glaser-Straße [Standort 15].

“Präparandenschule“

Die 1860er bis 1890er Jahre waren im Bereich des Volksschulwesens eine Zeit des Lehrermangels. Allein in Preußen fehlten 15.000 Lehrkräfte. Auch in der bayerischen Pfalz bestanden große Lücken, so dass die Klassen oft mehr als 80 Kinder hatten.

Die 1866 in Kirchheimbolanden eröffnete Präparandenschule sollte deshalb zur Verbesserung der Lehrerversorgung beitragen. Präparanden, das waren Volksschulabsolventen, die in einem dreijährigen Unterrichtsprogramm auf die anschließende Ausbildung in einem Lehrerseminar ausgebildet wurden. Präpandenschulen und Lehrerseminare waren dabei eng verflochten. So waren die Schulen in Kirchheimbolanden, Blieskastel und Speyer dem „Königlich-bayerischen Schullehrer-Seminar in Speyer zugeteilt“. Ihre Unterrichtsfächer umfassten: Religionslehre (kath. Und prot.), Deutsche Sprache, Arithmetik, Naturgeschichte, Geschichte, Schönschreiben, Zeichnen, Musik (Harmonielehre, Klavier, Orgel, Violine, Gesang) und Turnen.

Präparandenschule-Schullehrer Seminares 1875

Bis zum Bau der „Neuen Präparandenschule“ 1905 hatte die Einrichtung allerdings kein eigenes Gebäude – zeitweise wurden die Präparanden (im Schuljahr 1874/75: 56 Schüler) im Ballhaus [Standort 25] unterrichtet.

1923 erfolgte dann die Verlegung nach Kaiserslautern. In der Schillerstraße 17 zog nun bis 1956 das „Bezirkskrankenhaus“ (später Kreiskrankenhaus) ein.

Der 1905 errichtete Gebäudekomplex wird im Kunstdenkmälerinventar als ein „vom Formengut der Renaissance angeregter Jugendstilbau“ charakterisiert.

Heute ist das als „Karl-Ritter-Schule“ benannte Haus – benannt nach dem 1871-81 amtierenden Landrat des Donnersbergkreises – Sitz der Kreisvolkshochschule.

“Kaiserlicher Bauboom“

Die Schillerstraße entstand als Bauprojekt der Kaiserzeit.

Beginnend mit einer gründerzeitlichen Häuserzeile gegenüber dem westlichen Vorfeld der Stadtmauer (Schillerstr. 19-37, ähnlich 14-18), folgten in der späteren Kaiserzeit zwei Villen (Schillerstr. 39,41), die zusammen mit dem „Königlichen Forstamt“ in der Dr.-Carl- Glaserstraße 1 [Standort 15] ein kaiserzeitliches Ensemble darstellen.

Besonders akzentuiert wird diese Wohnbebauung durch die ehemalige Präparandenschule und die 1915 erbaute frühere Turnhalle (Schilllerstr. 13).

Die Schillerstraße gibt damit zusammen mit der äußeren Vorstadt und der Bahnhofstraße [Standort 45] Einblicke in das gesellschaftliche Spektrum der Kaiserszeit.