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Obere Amtsstraße

„Gute Ordnung“

Das 18. Jahrhundert war eine Zeit des „Wachstums der Staatsgewalt“. Das hatte eine beständige Ausweitung des Verwaltungswesens zur Folge. Denn, so in der Sprache der Zeit: Der Fürst soll das Beßte seines Staates aus allen Kräften befördern – deshalb ist der Staat verpflichtet, den Fürsten zu erhalten.

Amtsschreibereien wurden dadurch zur maßgeblichen Mittelbehörde zwischen Regierung (Fürst) und den Städten und Dörfern der Amtsbezirke. Die Amtsschreiberei in Kirchheimbolanden war dabei für die gute Ordnung in der Residenzstadt und 23 Dörfer im Bereich des heutigen östlichen Donnersbergkreises zuständig.

Progymnasium

Anno 1681 ist auf Gnädigste Verordnung […] Herrn Grafen Johann Ludwigs […] die Lateinschule allhier aufgerichtet worden. Die Schülerzahl blieb jedoch auch noch das ganze 18. Jahrhundert hindurch zumeist im ein- oder unteren zweistelligen Bereich.

Einen Schub brachte dann das 19. Jahrhundert.

1875 besuchten insgesamt 80 Schüler die Schule. Obwohl jedoch 1894 der Ausbau zum Progymnasium erfolgte, die Schule also eine 6. Klasse (heute 10. Jahrgangsstufe) erhielt, nach der ein Übertritt an ein Gymnasium (wie in Kaiserslautern) anschließen konnte, sanken die Schülerzahlen 1910 auf 24.

Das Kirchheimbolander Progymnasium war damit das kleinste im gesamten Königreich Bayern.

Unterrichtet wurden die Fächer Religion, Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch, Arithmetik/Mathematik, Geschichte, Geografie, Naturkunde, Zeichnen, Kalligraphie (Schönschreiben), Turnen und Gesang.

Bereits 1897 war das Schulgebäude in der Amtsstraße 10 bezogen worden. Es bot Räumlichkeiten für eine größere Schülerschaft. Die stellte sich aber erst ab 1945 und dem ersten Abitur 1948 ein.

Und als schließlich in den 1960er Jahren die Räumlichkeiten der seit 1950 als Nordpfalzgymnasium firmierenden Schule nicht mehr ausreichten, konnte 1965 der Umzug in den neuen Standort in der Dr.- Heinrich-von-Brunck-Straße am südlichen Stadtrand erfolgen.

Volksschule

Die hinter dem Progymnasium bereits 1823 errichtete Volksschule (Amtsstraße 12), „ein klassizistischer Putzbau mit rundbogiger Sandsteingliederung“, war zuerst noch konfessionell auf protestantische Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Die Voraussetzung dafür bot die in Kirchheimbolanden bereits 1817 vollzogene Vereinigung der beiden bisher lutherischen und reformierten Kirchengemeinden. Bis dahin hatten in der Stadt eine lutherische Jungenschule (Mozartstraße 10/12 hinter der Peterskirche), lutherische Mädchenschule (Amtsstraße 1) und reformierte Schule (Amtsstraße 7) bestanden.

Ein großer schulischer Zukunftsschnitt folgte dann 1872, als auch die bisher separat unterrichteten katholischen Schülerinnen und Schüler in die nunmehr konfessionell gemischte Communalschule Kirchheimbolanden in die Amtsstraße 12 eintraten.

Die 1897 mit dem Bau des Progymnasiums Amtsstraße 10 einsetzende unmittelbare Nachbarschaft beider Schulen war allerdings nicht immer problemfrei, denn der Schulhof wurde gemeinsam genutzt. So klagte das „Königliche Rektorat des Progymnasiums“ am 6. Mai 1898 an die „Königlich Bayerische Regierung der Pfalz“ über Störungen von Seiten der „Volksschüler“, worauf sich die Volksschullehrer fünf Tage später an das Kirchheimbolander Bürgermeisteramt mit der Mitteilung wandten: die „Gymnasiasten“ störten noch mehr.

Solche Zwistigkeiten hatten erst 1960 ein Ende, als die Volksschule in ihren Neubau in die Schulstraße zog. Schon fünf Jahre später folgte dann auch das Gymnasium an seinen neuen Standort am südlichen Stadtrand.

Höhere Töchterschule und Kindergarten (Pilgeram-Stift)

Bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein waren Gymnasien zumeist reine „Knabenschulen“. Selbst in kleineren Städten kamen deshalb auch schon im 19. Jahrhundert Initiativen zur Eröffnung „Höherer Töchterschulen“ auf.

Diese waren aber durchweg nur in privater Trägerschaft realisierbar.

In Kirchheimbolanden wurde eine solche vierklassige Schule am 22.Mai 1846 begonnen. Unterrichtet wurden die Fächer Religion, Deutsch, Französisch, Rechnen, Geografie, Geschichte, Naturwissenschaften, Schönschreiben, Zeichnen, „Weibliche Handarbeit“, Gesang, Turnen und im Wahlbereich Englisch, Buchführung sowie Stenografie.

Ab den 1880er Jahren erfolgte der Unterricht im „Pilgeramstift“ in der unteren Dr.-Edeltraud-Sießl-Allee. (An seiner Stelle befindet sich heute ein Verbrauchermarkt.)

Dort hatte der in Kirchheimbolanden gebürtige Franz Josef Pilgeram (1836-94), Kunsthändler und Kunstdruckverleger in London, 1883 ein zehn Jahre zuvor erbautes Fabrikgebäude übernommen und nach entsprechendem Umbau dem Kindergarten und der Töchterschule vermietet.

1891 stiftete er das Gebäude dann der Stadt. In ähnlicher Weise hat Pilgeram auch die Kirche St. Peter [Standort 23] bedacht, unter anderem mit der größten der fünf Turmglocken.

Die Stadt Kirchheimbolanden hat Pilgerams Stiftungsengagement 1891 mit der Ehrenbürgerwürde bedacht.

Die Höhere Töchterschule bestand dann noch bis in die 1920er Jahre. Im Schuljahr 1907/08 wurde sie zum Beispiel von 43 Schülerinnen (28 protestantischen, 4 katholischen, 4 mennonitischen und 5 israelitischen) besucht.

1928 öffnete sich dann das Progymnasium auch für Schülerinnen. Die Höhere Töchterschule lief nun aus.

Nicht weniger verdienstvoll war Pilgerams Kindergarten-Engagement, stand doch die Einrichtung einer Kinderbewahranstalt auch schon 1848 im Reformprogramm des Kirchheimbolander Arztes Dr. Friedrich Glaser [Standort 53.1].

Denn, so Glaser, die ärmere Klasse [soll] ohne Sorge für ihre Kinder ihrem Tagwerk in voller Tätigkeit nachgehen [können] und ihre Lage nach Kräften verbessern, damit endlich in ihre Kinder durch Fernhaltung b.sen Beispiels und zeitige Gew.hnung zur Ordnung und Reinlichkeit recht früh schon der Keim künftiger Bürgertugenden gelegt werde.

Mit Pilgerams Engagement konnte das nun ermöglicht werden, denn die „Soziale Frage“ stellte sich in der Kaiserszeit noch sehr viel dringlicher als zu Zeiten Glasers.

Pilgerams Motive dazu waren wohn nicht allein nur sein caritatives Denken, sondern ebenso auch durch seine Erfahrungen in Großbritannien bestimmt, wo der Unternehmer und Sozialreformer Robert Owen 1816 die erste „Infantschool“ begründet hatte.

Landwirtschafts- und Gewerbeschule

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung im 19. Jahrhundert erforderte aber nicht nur im allgemeinen Schulwesen eine entsprechende Anpassung und Begleitung, sondern ebenso im berufsbildenden Bereich.

Das führte 1867 durch den Kirchheimbolander Gewerbeverein zur Einrichtung einer „Gewerbeschule“, 1891 um eine „Frauenarbeitsschule“. Damit war die Grundlage für die spätere Berufsschule Kirchheimbolanden gelegt. Sie bestand – seit 1958 in der ehemaligen Präparandenschule in der Schillerstraße untergebracht – bis zur Konzentration des berufsbildenden Schulwesens für den Bereich des Donnersbergkreises in den 1990er Jahren in Rockenhausen und Eisenberg.

Eine ganz ähnliche schulische Entwicklung vollzog sich im landwirtschaftlichen Schulbereich. Um auch den Fortschritt im Agrarsektor zu fördern, wurde 1864 in Kirchheimbolanden eine „Landwirtschaftliche Fortbildungsschule“ eingerichtet. Bereits 1892 erhielt sie in der Dannenfelser Straße 10 (heute: „Kindertagesstätte Villa Kunterbunt“) ein eigenes Schulgebäude, dessen klassizistische Fassade Ausdruck kaiserzeitlicher Architektur und Stadtentwicklung ist. Dass der Schulbetrieb dann 1966 eingestellt wurde, war eine Folge stark gesunkener Schülerzahlen, bedingt durch den agraren Strukturwandel.