Johann Theobald und Carl Adolf Ritter
“Das für gut Erkannte“
Dr. Friedrich Glaser (1814-49) hat das gemäßigte revolutionäre Geschehen in Kirchheimbolanden bis zu seinem Tod am 23. Januar 1849 entscheidend geprägt.
Zum politischen Akteur wurde der praktische Arzt nicht zuletzt durch die sozialen Verhältnisse, mit denen er bei seiner beruflichen Tätigkeit täglich konfrontiert war. Deshalb richtete er sein Interesse vor allem auf die besitzlose Classe. Dazu stellte er in einem Aufruf An meine Mitbürger unter dem Datum vom 15. März 1848 fest: In den zurückliegenden Jahrzehnten wurde die besitzlose Classe bedeutend vermehrt, [verursacht durch den] Eigenschutz und die Selbstsucht der hochmütigen Geldaristokratie.
Es gilt deshalb, so Glasers Folgerung, gezielt Reformen auf den Weg zu bringen, um einen sogar eventuell drohenden Umsturz alles Bestehenden zu verhindern.
Ganz ähnlich war 1848 auch die Gesellschaftsanalyse von Karl Marx und Friedrich Engels ausgefallen. Im Gegensatz zu ihnen strebte Glaser jedoch eine pragmatische Lösung auf der Grundlage ganz konkreter Reformmaßnahmen an.
In einem Acht-Punkte-Plan hat er diese Reformprojekte am 15. Mai 1848 ausformuliert. Leitgedanke war es dabei, in Bezug auf kommunale Entscheidungen Mitbestimmung und Transparenz zu ermöglichen, ein allen „Einkommensklassen“ gerecht werdendes Steuersystem aufzubauen und, um die Arbeiter nicht zu zwingen, sich mit der Idee des Communismus zu befreunden. Zudem sei dafür zu sorgen, dass der Arme [nicht] täglich mit Nahrungssorgen zu kämpfen hat. Deshalb müsse sich die Lohnfestsetzung für durch die Stadt vergebene Arbeiten an der individuellen Existenzsicherung orientieren. Unterstützen sollte das auch die Einrichtung eines städtischen Kindergartens.
Eine politische Verwirklichung des solcherlei „für gut Erkannten“ erhoffte er sich dann mit Hilfe eines „Kirchheimbolander Bürgervereins“ [Standort 60].
Das überstieg jedoch seine Kräfte, sollte doch gerade auch seine ärztliche Tätigkeit nicht zurückstehen. Zudem war seine politische Arbeit immer wieder allerlei „gegnerischen Angriffen“ ausgesetzt. Denn das von ihm angestrebte Gebäude freisinniger, sozial-politischer Reformen wurde in Kirchheimbolanden keineswegs die Sache aller. Dazu kam sein intellektuell anspruchsvoller Freiheitsgedanke als dessen Basis er die Vernunft sowie die Spannung zwischen den Sich selbst bestimmen und dem Sich unterwerfen unter demokratische Gesetze ansah. Die konkrete Staatsform – die konstitutionell – monarchische oder republikanische war dabei für ihn sekundär.
Das war 1848 ebenso idealistisch wie politisch pragmatisch. 1849 hätte Glaser dann aber wohl eine grundlegende Präferierung vornehmen müssen. Mit seinem Tod infolge einer Lungenentzündung am 23. Januar 1849 verlor Kirchheimbolanden deshalb einen sozialpolitischen Vordenker auf halber Strecke seines unvollendet bleibenden Weges.
Welche Impulse hätten von ihm also noch erwartet werden können?

“Unsere Mitbürgerinnen“
Als Friedrich Glaser (1814-49) und Regine Giessen (1818-56) heirateten, war sie 22 Jahre alt. Neun Jahre später starb ihr Mann.
Zusammen spielten Friedrich und Regine Glaser und ihr Mann im politischen Leben Kirchheimbolandens 1848 eine wegweisende Rolle: er (Friedrich Glaser, Bürgerversammlung vom 5. April 1848, Kirchheimbolander Bürgerverein) als Meinungsbildner vor allem für soziale Reformen, sie durch Unterstützung der „demokratischen Sache“ auf ganz anderer Ebene. Dies belegt eine Einladung im „Kirchheimbolander Wochenblatt“ am 28. April 1848“.
Regine Glaser und Therese Giessen, 1848 die eine 28 Jahre alt, die andere 29, verband aber nicht nur das Projekt einer Bürgerwehrfahne. Beide waren auch familiär verwandt (Therese als Frau eines Cousins von Regine).
Diese Einbindung wurde für Regine nach Friedrich Glasers Tod existenziell. War doch beider Sohn Carl, der spätere BASF-Chemiker und -Aufsichtsratsvorsitzende sowie Kirchheimbolander Ehrenbürger 1849 gerade acht Jahre alt.

