Freischarenkommandeure Bamberger und Zitz
„Eine Verfassung für Deutschland“
Am 27. März 1849 hatte die Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt/Main ihren Auftrag erfüllt und eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich verabschiedet. Sie umfasste einen umfangreichen Grundrechtskatalog: Freiheit der Personen, Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Vereinsfreiheit, Freizügigkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre. Die Verfassung von 1849 entfaltet damit bereits den Kern der heute im Grundgesetz garantierten Grundrechtskataloges.
Ebenso war die Gewaltenteilung in Legislative (Reichstag und Staatenhaus, entsprechend dem heutigen Bundestag und Bundesrat), Exekutive (Regierung) und Judikative (Gerichte) festgelegt.
Ins Gewicht fallen jedoch auch grundlegende Unterschiede zur heutigen Verfassungsordnung: die Regierung war nicht dem Parlament verantwortlich, sondern dem Staatsoberhaupt. Und das war der Kaiser der Deutschen.
Trotzdem ist die „Verfassung des Deutschen Reiches“ für das 19. Jahrhundert als dennoch „modern“ zu bewerten.

Freischärler-Enthusiasmus
So politisch enthusiastisch sich die Freischärler im Mai/Juni 1849 empfanden, so problematisch war ihre Rolle. Denn im politischen Denken des 19. Jahrhunderts wurde zwischen den regulären Truppen eines Staates und „militärischen Ausnahmegebilden“ unterschieden. Als solche „Ausnahmegebilde“ galten vor allem Freischaren, die als „Insurgenten“ oder sogar als „Insurgentenbanden“ mit dem Ziel des bewaffneten Widerstandes gegen die legitime Staatsordnung eingestuft wurden.
Eine solche Situation ergab sich im Frühjahr 1949, als die Könige von Preußen, Sachsen und Bayern die in der Frankfurter Nationalversammlung verabschiedete Reichsverfassung nicht anerkannten. Für die in der Pfalz vielerorts bereits bestehenden Freischaren-Gruppen begann damit der „Ernstfall“. Denn: Wenn die Regierung zur Rebellion geworden, werden die freien Bürger der Pfalz zum Vollstrecker der Gesetze – und nehmen sich das Recht zur gewaltsamen Durchsetzung der Reichsverfassung.
Die Bezeichnung „Reichsverfassungskampagne“ wurde dafür zum legitimierenden Schlagwort.
Allerdings: Von den Mitte Juni 1849 ca. 13.000 pfälzischen „Rebellen“ verfügte nur jeder Dritte über ein Gewehr. Andere waren mit Sensen bewaffnet. Mehr als die Hälfte hatte gar keine Waffen.
Die zeitgenössische Skizze, die von einem pfälzischen Freischärler überliefert ist, gibt also nur ein partielles Bild.
Ähnlich mag man sich jedoch auch die rund 1.100 rheinhessischen Freischärler vorstellen, die im Mai/Juni 1849 unter Ludwig Bamberger und Franz Zitz ihr Hauptquartier in Kirchheimbolanden hatten.
Was sie verband, war politischer Enthusiasmus für Einigkeit und Recht und Freiheit wie ihm August Heinrich von Fallersleben (1798-1874) im „Lied der Deutschen“ 1841 Ausdruck gegeben hat.

Ludwig Bamberger
In den fünf Wochen, die Ludwig Bamberger (1832-99) als „Zivilkommissär“ der rheinhessischen Freischaren seinen Sitz in Kirchheimbolanden hatte – vom 10. Mai bis 14. Juni 1849 – waren seine Aufgaben vor allem die Organisationsgeschäfte in unserem Corps und die Verbindung zu den zivilen Dienststellen des Pfälzischen Aufstandes. Er spielte damit zusammen mit Franz Zitz die Schlüsselrolle im Kommando des in der Stadt befindlichen „Rheinhessischen Corps“.
In Mainz geboren, hatte er in Gießen, Heidelberg und Göttingen Rechtswissenschaft studiert und 1845/47 die beiden juristischen Staatsprüfungen abgelegt. In der Revolution 1848/49 wurde er dann zum republikanischen Publizisten und Wortführer der rheinhessischen Freischaren.
Wegen Hochverrats oder Teilnahme daran wurde er ihn deshalb 1851 zu acht Jahren Zuchthaus und 1852 zum Tod verurteilt. Dem entzog er sich jedoch durch Flucht, zunächst in die Schweiz und anschließend nach London, wo er in einer Bank tätig wurde und schon 1853 deren Filiale in Paris leitete. Die damit verbundenen Erfahrungen im internationalen Bankwesen kamen ihm dann ab 1866 auch in Deutschland zu Gute, wohin er – inzwischen begnadigt – wieder zurückgekehrt war.
Im gleichen Jahr zeichnete sich eine preußisch-deutsche Reichsgründung „von oben“ ab. Bamberger wurde dadurch zu einem Befürworter Otto von Bismarcks (1815-1898). 1868 veröffentlichte er sogar eine Schrift über ihn („Monsieur de Bismarck“).
1871-93 gehörte er dann dem Reichstag an. Als Mitglied der Bismarck unterstützenden Nationalliberalen Fraktion wirkte er unter anderem bei der Vereinheitlichung des deutschen Münzwesens mit und gilt als einer der Protagonisten der Deutschen Reichsbank. Seine Haltung als klassischer Vertreter wirtschaftsliberaler Ideen ließ ihn 1880 allerdings zum Gegner des Reichskanzlers werden, weil der nun Schutzzölle und eine staatliche Sozialversicherung präferierte.
1894-98 betätigte er sich schließlich erneut als Publizist („Gesammelte Schriften“ in fünf Bänden, „Bismarck posthumus“).
Seine Erlebnisse aus der Pfälzischen Erhebung im Mai und Juni 1849 hatte er bereits unmittelbar im Anschluss veröffentlicht (datiert: Juli 1849). Seine Haltung, 1849 die Revolution nur so lange getragen zu haben, solange eine Aussicht auf Erfolg bestand, begründete er darin mit dem Vorsatz: Unsere Leute wollen leben und nicht [als Todesopfer] berühmt werden. So urteilte ich, als ich es für meine Pflicht hielt,
niemanden mehr zum Opfer für eine verlorene Sache aufzufordern. Das mag dann auch sein Verhalten am 14. Juni 1849 in Kirchheimbolanden erklären.
Dass er sich schon 1866 mit der Idee einer preußisch-deutschen Reichsgründung „von oben“ arrangierte und dadurch „Karriere machte“, war für Revolutionäre von 1848/49 nicht ungewöhnlich. Man denke nur an Gottfried Semper (1803-79) oder Richard Wagner (1813-83), die sich beide an den Dresdner Barrikaden- Kämpfen beteiligt hatten.

Franz Zitz
In den fünf Wochen, die Franz Zitz (1803-77) als „Zivilkommissär“ der rheinhessischen Freischaren seinen Sitz in Kirchheimbolanden hatte – vom 10. Mai bis 14. Juni 1849 – spielte er zusammen mit Ludwig Bamberger eine Schlüsselrolle im Kommando des in der Stadt befindlichen „Rheinhessischen Corps“.
In Mainz geboren, hatte er Jura studiert und war zunächst in Alzey, dann in Mainz anwaltlich tätig. 1837 heiratete er die zwei Jahre ältere Belletristin Kathrinka Halein, die schon bald zu einer vielgelesenen (auch politischen) Literatin wurde.
Franz Zitz begann sein politisches Engagement in den 1830er Jahren als führendes Mitglied in der Mainzer „oppositionellen Bewegung“. 1848/49 war er Vorsitzender des „Demokratischen Vereins“ und Obrist der Bürgerwehr Mainz. Das brachte ihm eine stadtweite Popularität und am 16. Mai 1848 die Wahl zum Abgeordneten der Nationalversammlung in Frankfurt ein. Dort schloss er sich der äußersten Linken an, die sich als „Demokratische Partei“ formierte und eine Republik mit einer starken parlamentarischen Gewalt forderte. Bereits am 1. März 1849 trat er jedoch aus der Nationalversammlung aus, da er die Entwicklung zu einer deutschen Monarchie nicht mittragen wollte.
Schon bald darauf wurde er deshalb zusammen mit Ludwig Bamberger zum Wortführer der rheinhessischen Freischaren. Und als sich in der Pfalz am 2. Mai 1849 ein tags zuvor in Kaiserslautern eingesetzter „Landesverteidigungsausschuss“ gegen die bayerische Staatsgewalt stellte und wenige Tage darauf einen bewaffneten „Zuzug aus Hessen“ erbat, erließen Zitz und Bamberger sofort eine Marschordrè, in welcher sämtliche mit Waffen versehene Bewohner Rheinhessens aufgefordert wurden, sich mit Kleidungsstücken und mit Lebensmitteln zu versehen und sogleich in Wörrstadt einzufinden. Am 12. Mai rückten die rheinhessischen Freischaren dann unter dem Kommando von Zitz und Bamberger in Kirchheimbolanden ein.
Fünf Wochen später kam es zum Ernstfall in der militärischen Auseinandersetzung mit preußischen Truppen. Für Zitz und Bamberger war die „pfälzische Kampagne“ damit zu Ende. Sie verließen in einer Kutsche die Stadt und flohen über Neustadt nach Baden und weiter in die Schweiz, denn sie wurden bereits steckbrieflich gesucht. Aber auch die Schweiz ermöglichte nur einen kurzen Aufenthalt, so dass sich Zitz zur Emigration in die USA entschloss, wo er in New York ein Notariat eröffnete.
Eine Rückkehr nach Deutschland war vorerst nicht möglich. Denn 1851 hatte das Geschworenengericht in Mainz Zitz wie auch Bamberger in Abwesenheit zum Tod verurteilt.
Zitz starb 1877 in München, nachdem er – begnadigt – neun Jahre vorher wieder nach Deutschland zurückgekommen war. Im Vergleich mit Bamberger ist seine Biographie im Anschluss an den 14. Juni 1849 also ganz anders verlaufen.
