Johann Theobald und Carl Adolf Ritter
Johann Theobald Ritter
In den 1830er und 40er Jahren in der Pfalz eine Zeitung herauszugeben, war insbesonders in den politisch unruhigen Zeiten des Hambacher Festes 1832 und der Revolution 1848/49 nicht unproblematisch. Sollte man eher auf der Seite der bestehenden monarchischen Ordnung stehen oder stärker den Freiheitsgedanken publizistisch unterstützen?
Carl Thieme (1800-1848), der 1826 die Redaktion und den Druck des sechs Jahre vorher von Johann Philipp Hahn begründeten „Kirchheimbolander Wochenblattes“ übernommen hatte, ergab sich die Entscheidung allein schon daraus, dass er Mitglied der „Liberalen Parthey“ war. Außerdem gehörte er dem „Preßverein“ an. Das hatte dann 1832 eine Anklage wegen revolutionärer Umtriebe zur Folge. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt.
In den nun folgenden eineinhalb Jahrzehnten galt Thiemes Arbeit dann ganz dem „Wochenblatt“. Ab 1841 erschien es „für Kirchheimbolanden und Grünstadt“ und von 1846 an mit zwei Ausgaben pro Woche (dienstags und freitags).
Ausgesprochen politisch richtete Thieme die Zeitung dann 1848 aus. Die nun auch in Kirchheimbolanden einsetzende „Revolutionierung“ forcierte die Berichterstattung im „Wochenblatt“ – wie umgekehrt. Thieme wurde damit zu einem der wesentlichsten politischen Akteure in Kirchheimbolanden. Das ging jedoch auf Kosten seiner Gesundheit. Er starb im August 1848.
Das „Wochenblatt“ war damit aber nicht in seinem Bestand gefährdet. Thiemes Witwe Wilhelmine führte es in seinem Sinne fort.



Eine weitere Anklage hatte seine Beteiligung an den Versammlungen der Kirchheimbolander Liberalen Parthey zum Gegenstand. Hiervon wurde er jedoch mangels Beweisen freigesprochen. Trotzdem erfolgte eine Eintragung in das Verzeichnis derjenigen Personen, gegen welche nach den Akten der Bundeszentralbehörde bezüglich revolutionärer Umtriebe im Untersuchungswege eingeschritten worden ist.
Seine politische Gesinnung behielt er jedoch weiterhin bei. Folgerichtig gehörte er 1848 dem Kirchheimbolander Bürgerverein [Standort 60] an und wurde 1849 in den Stadtrat gewählt.
Johann Theobald Ritter war damit einer der zahlreichen Exponenten des Kirchheimbolander Bürgertums, die vorenthaltene Rechte und Freiheiten nicht einfach hinnahmen.
Carl Adolf Ritter
Carl Adolf Ritter (1824-95) war politisch ganz wie sein Vater Johann Theobald orientiert. Als er 1849 wegen Teilnahme an den im Mai und Juni d. J. [des Jahres] im Kreis Pfalz stattgehabten hochverräterischen Unternehmungen angeklagt wurde, vermerkt seine Akte 24 Jahre alt – und flüchtig. Das Amnestiegesetz vom 22. Dezember 1849 ermöglichte ihm aber die Rückkehr.
In denFolge setzte er sich vor allem für die Errichtung des Grabsteins auf dem Freischarengrab [Standort 50] ein und war einer der Organisatoren der Spendensammlungen für die “Trauernde Germania“ [Standort 49].
Carl Adolf Ritter hat damit ganz wesentlich zur Vergegenwärtigung von 1848/49 in Kirchheimbolanden beigetragen.
Friedrich Wilhelm Knöbel
Friedrich Wilhelm Knöbel (1802-72), in Kirchheimbolanden geboren, war seit 1826 Lehrer an der Lateinschule in Dürkheim. 1832 initiierte er eine Protestation – also einen Einspruch – gegen die vom Bundesrat, der Ständigen Vertretung der 38 deutschen Einzelstaaten in Frankfurt, beschlossenen Beschränkungen des Petitionsrechtes, Budgetrechtes, Gesetzgebungsrechtes sowie der Rede- und Berichtsfreiheit. Schon bald war Knöbels Resolution durch mehr als 1.300 Unterschriften unterstützt – auch in Kirchheimbolanden.
Darin wird der bayerische König Ludwig I. aufgefordert, die Frankfurter Beschlüsse nicht umzusetzen. Zudem sollten die an den Beschlüssen Mitwirkenden wegen Hochverrats angeklagt werden.
Die Folge war umgekehrt ein Verfahren, das Knöbel des Hochverrats und der Verunglimpfung der höchsten Staatsbehörden anklagte. Dem entzog er sich durch die Flucht ins Elsass, später in die Schweiz, wo er schließlich Hauptlehrer und Rektor in Schöftland (Kanton Aargau) und später Zeitungsherausgeber in Biel (Kanton Bern) wurde.
“Preßverein“
Betrug das zahlenmäßige Verhältnis von Nicht-Lesern zu potentiellen Lesern um 1800 etwa 3:1, so kehrte es sich bis 1870 um. Einen großen Anteil daran hatten die Zeitungen. Die berichteten (und kommentierten) aber zunehmend nicht nur regierungsfreundlich. 1831 wurde deshalb im Königreich Bayern – und damit auch in der Pfalz – die Zensur verschärft.
Das forderte jedoch Gegenmaßnahmen heraus, so im Januar 1832 in Zweibrücken die Gründung des Vaterlandsvereins zur Unterstützung der freien Presse Ziel dieses Preßvereins war es, von Zensur und Beschlagnahmung betroffene Zeitungen und ihre Redakteure finanziell abzusichern.
Innerhalb von nur wenigen Monaten hatte der Verein über 5.000 Mitglieder und Zweigvereine nicht nur in der Pfalz.
Ein solcher Zweiigverein war am 20. April 1832 auch in Kirchheimbolanden gegründet worden. Das „Kirchheimbolander Wochenblatt“ berichtete darüber am 11. Mai 1832.
Ein ähnliches Berufsspektrum wie in Kirchheimbolanden kennzeichnete auch die übrigen Zweigvereine. Gemeinsam war ihren Mitgliedern über die Freiheit der Presse hinaus der Gedanke der Grundrechte ganz allgemein. Besonders Jakob Anton Brogino und Carl Thieme sind damit sogar anderweitig der „Aufhetzung“ verdächtigt worden, ebenso Jakob Daum als Besucher des Hambacher Festes, so sein „Bericht“ in einer Audiostation im Museum im Stadtpalais [Standort 58].
Das „Schwarze Buch“
Das Schwarze Buch, das Verzeichnis derjenigen Personen, gegen welche bezüglich revolutionärer Umtriebe im Untersuchungswege eingeschritten worden ist, wurde von 1835 bis 1848 in Frankfurt a.M. geführt. Es enthält 273 Namen.
Darunter sind 18 Einwohner Kirchheimbolandens. Sie verteilen sich auf zwei Anklagepunkte:
Am gravierendsten war der Vorwurf der Verunglimpfung der höchsten Staatsbehörden. Er betraf Ludwig Bechthold, Metzger – Jakob Christian Miesel, Bäcker – Johann Theobald Ritter, Posthalter und Gastwirt. Sie erhielten wegen der Unterzeichnung der Knöbelschen Protestation zwischen 6 und 14 Tagen Gefängnis.
Als weniger gravierend wurde dagegen die Aufhetzung zum Ungehorsam gegen die „Aufhetzung zum Ungehorsam gegen die bestehende Staatsregierung beurteilt. Dazu gehörten die Teilnahme and den Versammlungen der „Liberalen Parthey“ und/oder des Hambacher Festes. Diese Anklage betraf Jakob Anton Brogino, Kaufmann – Johann Peter Kolb, Makler – Georg Kreis, Glaser – Heinrich Lapp, Dreher – Fritz Lennig, Kaufmann – Jakob Meyer, Kath. Pfarrer – Franz Pilgeram, Kaufmann – Andreas Ropiquet, Geschäftsmann – Carl Wilhelm Schmidt, Notar – Franz Carl Schmidt, Schreiner – Philipp Schmidt, Orgelbauer – Johann Philipp Siegler, Glaser – Friedrich Steller, Küfer – Peter Thiel, Tüncher – Carl Thieme, Buchdrucker. Allesamt wurden sie jedoch mangels Beweisen frei gesprochen.
Allein schon die Anzahl der Betroffenen zeigt: Die Justiz befand sich in einem offenen Dilemma. „Milde“ war der einzige Ausweg.
